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Bad Kreuznach | Interview mit Dr. Veit Kürschner zum Welt-Anästhesietag

Kaffee, Hörgerät und Wassereis

BAD KREUZNACH. Wer schon einmal operiert wurde, kennt sie noch, die alte Anweisung: „Ab Mitternacht nichts mehr essen oder trinken.“ In den Diakonie Kliniken Bad Kreuznach gilt das längst nicht mehr. Statt leerem Magen und trockener Kehle setzt das Team um Dr. Veit Kürschner, Chefarzt für Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Palliativmedizin, auf ein modernes Nüchternheitskonzept. Es basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, erhöht die Sicherheit und soll das Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten verbessern.

Was hat sich konkret geändert - und warum ist das wichtig?

Dr. Veit Kürschner: Wir wollen das Risiko geringhalten, dass Mageninhalt während der Narkose in die Lunge gelangt und dort möglicherweise Schaden anrichtet. Daher ist die „Nüchternheit“ vor der Operation grundsätzlich wichtig. Aber wir haben in den letzten Jahren einiges an Erkenntnissen gewonnen und beispielsweise gelernt, dass Flüssigkeiten in der Regel den Magen viel schneller verlassen als wir früher angenommen haben.

Für feste Nahrung gilt immer noch: Sie ist nur bis sechs Stunden vor der OP erlaubt, Kinder dürfen nach unseren neuesten Leitlinien bis vier Stunden vorher noch eine kleine Mahlzeit essen, wie beispielsweise einen Apfel, einen Joghurt oder eine Scheibe Toast.

Wichtiger noch ist das Trinken.  Klare Flüssigkeiten, also Wasser, Tee, Apfelsaft oder auch Kaffee mit einem Schuss Milch sind erlaubt und dürfen, ja sollen, sogar bis zum Abruf in den Operationssaal getrunken werden. Das ist nicht nur gut fürs Wohlbefinden, sondern auch für die Gesamtsituation des Körpers und des Kreislaufs, dient also unter diesem Aspekt sogar der Patientensicherheit. Wir sehen weniger Verwirrtheitszustände bei älteren Menschen, weniger Stürze, und auch weniger „gestresste“ Patientinnen und Patienten, wenn noch vor dem Eingriff noch getrunken wurde. Nur eines sollte man vor der OP nicht vergessen: den Toilettengang.

Viele Patienten fragen sich: Brille, Hörgerät, Zahnprothese – ja oder nein im OP?

Dr. Veit Kürschner: Ganz klar: ja. Brille und Hörgerät dürfen mit in den OP, denn sie helfen bei der Orientierung und damit dem Wohlbefinden. Gerade bei älteren Menschen ist es wichtig, dass sie sofortige Unterstützung erhalten, um sich zurecht zu finden und dafür sind Brille und Hörgerät entscheidend. Auch eine Zahnprothese kann auf Wunsch getragen werden. Und sollte sie vor der Narkose doch herausgenommen werden müssen, passiert das gemeinsam im OP und nach dem Aufwachen können die Patienten sie direkt auch wieder selbst einsetzen.

Das Wohlbefinden unserer Patienten steht bei uns also genauso im Fokus wie die Anwendung moderner Medikamente und sicherer Technik, um maximale Sicherheit des Patienten zu gewährleisten.

Apropos Wohlbefinden – gibt es deshalb im Aufwachraum ein Wassereis?

Dr. Veit Kürschner: Nicht nur!  Wir wissen heute, dass das Trinken von Wasser, das Knabbern an Salzstangen oder Waffeln oder einfach Kaugummi kauen die Magen-Darmtätigkeit anregen und die Regeneration unterstützen. Und ja – ein Wassereis, besonders mit Cola-Geschmack, versorgt den Körper mit etwas Flüssigkeit, Energie und sorgt zusätzlich für gute Laune nach einem Eingriff. Das gilt für Kinder genauso wie für Erwachsene.

Die neuen Leitlinien zeigen: Medizin entwickelt sich weiter – immer im Dienst der Sicherheit und des Wohlbefindens der Menschen. Oder, wie Dr. Veit Kürschner es zusammenfasst: „Moderne Medizin bedeutet für uns, wissenschaftliche Erkenntnisse mit Menschlichkeit zu verbinden. Das ist die beste Form von Fortschritt.“